Der Ölberg auf Neunlinden

Unbekanntes Kleinod:

Der “Ölberg auf Neunlinden”

Durch Erneuerung vor dem Zerfall bewahrt

Am Rosenkranzfest des Jahres 1913 wurde in feierlicher Prozession das Gnadenbild der Neunlindenwallfahrt von der Pfarrkirche auf den Hochaltar der neuerbauten Neunlindenkapelle übertragen. Damit wurde ein Anliegen der Bevölkerung verwirklicht: die durch Hochwasser zerstörte Kapelle an der Elz an anderer Stelle neu zu erbauen und somit der Muttergottes von Neunlinden wieder ein eigenes Heiligtum zu erstellen.

Die Hanglage ermöglichte an der dem Städtchen zugewandten Seite die Ausbildung der Grundmauern zu einer “Krypta”. In ausführlichen Abhandlungen sind wir über die Neunlindenwallfahrt und dieses Gotteshaus umfassend informiert. Ich denke besonders an die Veröffentlichungen von Josef Weber im Buch “Zur Geschichte der Stadt Elzach” und im “Kirchenführer”. Über den “Ölberg” liegen jedoch so gut wie keine Aufzeichnungen vor. Die vorhandenen Gegebenheiten und das Erinnerungsvermögen so mancher Bürger ermöglichen es, uns dennoch ein richtiges Bild von diesem Kapellenraum zu machen.

Diese Unterkirche entstand in Achteckform und wurde als offene Halle mit drei Fensteröffnungen und einem Eingang gebaut. Die künstlerische Ausgestaltung erfolgte im Jahre 1919 durch den Freiburger Stukkateur Ludwig Kubanek. Dieser füllte die Wandfläche an der Bergseite des Raumes mit der in Kalksandmaterial plastisch ausgeführten Darstellung “Jesus am Ölberg” aus, aufgegliedert in 3 Bilder: “Der Engel bei Jesus” als Mitte, umrahmt von den “schlafenden Jüngern” und der “nahenden Festnahme und des Verrats durch Judas”.

Die acht gewölbten Felder der Decke wurden mit goldenen Sternen auf blauem Grund bestückt. An der Wandfläche gegenüber dem Eingang befand sich ein Ehrenmal für die Gefallenen des ersten Weltkriegs.

Auch nach Fertigstellung blieb der “Ölberg”, wie diese Unterkirche auf Neunlinden vom Volksmund nun genannt wurde und seither genannt wird, zunächst ohne Tür und Fenster, also ständig für jedermann offen. So konnten Gottesdienstbesucher und Marienpilger jederzeit auch diesen “Ölberg” als Andachtsraum benutzen.

Missbräuchliche Benutzung und Verschmutzung in nicht vertretbarem Ausmaß machten eine geregelte Öffnungsmöglichkeit erforderlich. So wurde in den Rundbogen des Eingangs eine Tür (nach seinen eigenen Angaben um 1930 durch Jupp Mannefeld angefertigt) und später in die Fensteröffnungen schmiedeeiserne Gitter eingebaut (diese Gitter wurden nach dem 2. Weltkrieg unter Stadtpfarrer Josef Röderer durch die Brüder August und Xaver Dufner von einem Trümmergrundstück in Freiburg beschafft. Sie bestanden aus einem Stück und wurden von Augustin Haas in die Fensteröffnungen eingepasst). Diese leider notwendigen Maßnahmen führten dazu, dass der “Ölberg” nach dem zweiten Weltkrieg verschlossen blieb und somit der jüngeren Generation weitgehend unbekannt ist.

In dieser Abgeschiedenheit schien der “Zahn der Zeit” geradezu ermuntert, recht kräftig an den handwerklichen Arbeiten zu nagen. Ungünstige Witterungseinflüsse, starke Laubablagerungen verbunden mit hoher Feuchtigkeit und andere Umstände mögen dazu beigetragen haben, dass das verwendete Material nicht stabil blieb, sondern immer mehr abbröckelte und allmählich ganze Teile der Ölbergdarstellung unkenntlich wurden. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die ganze Ölbergplastik infolge der immer mehr fortschreitenden Materialveränderung unwiderruflich vernichtet und verlorengegangen ist.

Zwar erkannte man diesen Sachverhalt schon bei der großen Renovierung der ganzen Kapelle im Jahre 1969. Doch sah man zu diesem Zeitpunkt keine Möglichkeit, auch den „Ölberg“ in die Arbeiten einzubeziehen und damit zu erhalten. Lediglich einige ganz schadhafte Partien an der Fensterseite und eines der acht Deckenfelder erhielten einen neuen Verputz.

Anlässlich der (wie in jedem Jahr, so auch im Frühjahr 1985 von Mitgliedern unserer Kolpingsfamilie vorgenommenen) Arbeiten zur Pflege der Außenanlagen um die Neunlindenkapelle warfen die anwesenden Helfer wieder einmal einen Blick durch die Fenstergitter in den verschlossenen “Ölberg”. Dabei wurde deutlich, dass die schweren Eisengitter zwar solide handwerkliche Kunst, aber nicht mehr weit davon entfernt sind, Alteisen zu werden. So gründlich hat der Rost gewirkt.

Man kam überein, dass zumindest für diese Fenstergitter erhaltende Maßnahmen ergriffen werden müssen. Nach Rücksprache mit dem Pfarrer und dem Vorstandsbeschluss unserer Kolpingsfamilie, die Kosten hierfür zu übernehmen, wurden diese Gitter, vermittelt durch die Schlosserei Karl Fackler in der Firma Siegfried Hock in Freiburg durch Sandstrahlung entrostet und spritzverzinkt. Die Farbbehandlung übernahm Bruno Kaltenbach.

Zwar war hiermit ein wichtiger Schritt zu Erhaltung getan, aber der weitaus größere und aufwändigere Teil stand noch aus: die Innenrestaurierung. In Gesprächen mit zuständigen Handwerkern wurde versucht, Klarheit über den Umfang der erforderlichen Erhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen zu bekommen.

Die Überlegungen und Beratungen brachten folgendes Ergebnis:

A:
1) Das weitere Abbröckeln der Ölbergdarstellung muss durch Festigung des Materials verhindert werden. Die teilweise beschädigten oder ganz zerstörten Figuren und Bildteile sind zu ergänzen oder zu erneuern.
2) Das glatt verputzte Deckenfeld ist (wie die übrige Decke) wieder mit Sternen zu versehen und die gesamte Decke ist zu überarbeiten.
3) Die glatt verputzte Wandfläche zwischen Ölberg und Fenster soll wieder mit einem Zeichen des Gedenkens an die Gefallenen der Weltkriege versehen werden.
4) Das Kunstwerk soll in Farbe gefasst werden.

B:

1) Aller schadhafte Putz muss abgeschlagen und erneuert werden.
2) Zur Verhinderung von Schäden durch Witterungseinflüsse und Laubeinfall sind neben den vorhandenen renovierten Gittern Fenster mit Lüftungsmöglichkeit erforderlich.
3) Die jetzige Tür mit den kunstvoll geschmiedeten Bändern am inneren Rundbogen des Eingangs wird nach außen versetzt und oberflächenbehandelt.
4) Eine neuzuschaffende geschmiedete Eisentür nimmt den Platz der bisherigen Holztür ein. Damit wird die Möglichkeit geschaffen, dass der interessierte Besucher den “Ölberg” bei geöffneter Außentür durch die verschlossene Gittertür betrachten kann. Selbstverständlich kann diese Innentür bei bestimmten Anlässen für das Publikum geöffnet werden.
5) In die kleine Fensteröffnung im Eingang muss ein Gitter eingebaut werden.
6) Der “Ölberg” soll einen Stromanschluss erhalten. Erforderliche Leitungen sind Unterputz zu verlegen.
7) Der Plattenboden ist, möglichst ohne ihn zu zerstören, vom hartnäckig haftenden Zementschmutz zu befreien und durch Sockelplatten zu ergänzen.
8) Die vorhandene Kniebank aus Holz (in Ausführung wie im Kapellenraum) ist zu behandeln.
9) Geeignete Beleuchtungsmöglichkeit ist anzubringen.
10) Die notwendigen Malerarbeiten sind durchzuführen.

Der entscheidende Schritt in Richtung “Ölberg”- Erneuerung war damit getan, dass Bruno Kaltenbach seine Bereitschaft erklärte, die gesamte Restaurierung durchzuführen. Damit entfielen alle Überlegungen, sich eventuell nach namhaften fremden Künstlern umschauen zu müssen. Und schließlich ergab sich, wiederum im Gespräch mit dem Pfarrer und durch Vorstandsbeschluss der Kolpingsfamilie Elzach, die Finanzierung zu übernehmen, freie Bahn für die “Ölberg”- Renovierung.

 

Unverzüglich wurden die Arbeiten aufgenommen. Schadhafter Putz wurde abgeschlagen (ausgeführt durch Franz Schmieder und Karl Uhl, welche alsdann die alten Zementputzreste mit dem Stemmeisen vom Fußboden abkratzten und diesen reinigten). Bernhard Becherer verlegte eine Stromleitung von der Sakristei in den “Ölberg” und installierte eine für die Arbeiten wichtige Beleuchtung. Durch die Schlosserei Karl Fackler wurde die Eingangstür an die Außenfront versetzt. Die Fensterrahmen aus Eisen, die geschmiedete Innentür und das Gitter in der kleinen Öffnung im Eingang wurden ebenfalls von der Firma Fackler erstellt und die erforderlichen Anschläge und Verankerungen angebracht. Die Verputzarbeiten wurden ebenso wie die Fertigbehandlung der Außentür und aller schmiedeeisernen Einbauten von Bruno Kaltenbach ausgeführt. Die Verglasung der Fenster erfolgte durch dir Firma F.X. Bayer.

Nach Beratungen mit erfahrenen Fachberatern aus der Materialbranche begann Bruno Kaltenbach mit der Restaurierung der “Ölberg”-Darstellung. Er behandelte die ganze Fläche mit einem Steinfestiger, welcher das Abbröckeln stoppt und das Material bis zur Versteinerung härtet. Sodann war, nach einer erforderlichen Einwirkpause, die Zeit reif für das Modellieren der Figuren. Die fehlenden Gesichter und Reliefteile entstanden neu und der Sternenhimmel wurde wieder mit über hundert neuen Sternen vervollständigt.

Noch vor Wintereinbruch konnten die meisten schadhaften Teile erneuert oder ausgebessert werden. Da zu niedrige Temperaturen für die verwendeten Materialien unverträglich sind, wurde die Fertigbearbeitung für das Frühjahr 1986 vorgesehen. So konnte Bruno Kaltenbach seine Tätigkeit Anfang April 1986 mit dem Anbringen der Sockelplatten wieder aufnehmen und die Ölbergdarstellung mit der sehr sorgfältig vorgenommen Bearbeitung in Farbe am 7. Juni vollenden.

Als Zeichen des Gedenkens für die Opfer der Kriege wurde an der dafür vorgesehenen Wandfläche ein Kreuz angebracht, das in früheren Jahren in der Pfarrkirche Verwendung fand, jedoch seit längerem unbenutzt verwahrt wurde.

Den Rahmen bildet auf der einen Seite die Inschrift:

Den Gefallenen
1914 – 1918
1939 – 1945

und auf der anderen Seite ein geschmiedeter Kerzenhalter mit der “Kolping”-Kerze.

Die vorhandene und fest im Boden verankerte alte Kniebank wurde nun noch gereinigt und bearbeitet, sodass nur noch die vier Wandleuchten fehlten. Diese wurden gemeinsam von der Schlosserei Fackler und Elektro-Haas angefertigt und installiert. So waren am 10. Juli 1986 alle handwerklichen und künstlerischen Arbeiten zur Erneuerung des Ölbergs abgeschlossen.

Mit der Feier einer heiligen Messe am Freitag, 11.07.1986 um 19:30 Uhr in der Neunlindenkapelle und der anschließenden Segnung und Weihe des wiederhergestellten Andachtsraumes durch Präses Dekan Paul Wik wurde diese Gebetsstätte feierlich wiedereröffnet. Möge dieser neu renovierte Ölberg auf Neunlinden der Bevölkerung als Ort der Stille, der Besinnung und des Gebetes dienen.

Gedenkschrift
an der Westwand der Ölberg-Krypta der Neunlindenkapelle Elzach. Die in Stucktechnik auf die Wand aufgebrachte Schrift wurde durch Witterungseinflüsse (Feuchtigkeit) bis zur Unlesbarkeit zerstört und nicht mehr erneuert. Der Text ist lediglich in einem Zeitungsaufsatz des Heimatdichters “Hugo v. d. Elz” (Hugo Wingler, geboren in Elzach als Sohn des hier amtierenden Notars Adolf Wingler) überliefert.

” Jesus! Maria!
Unsere liebe Frau Maria zu den neun Linden ist in der Not und Pein des Weltkrieges 14/18 ihren Kindern eine treue, liebe Mutter gewesen. Soldaten und Pilger in großer Zahl haben bei ihr sich neue Kraft geholt und, erfüllt von großem Vertrauen, sind sie wieder in den Kampf gezogen.
Hilfe in der Not und Trost in bangen Oelbergstunden hat die gute Mutter ihren Kindern erfleht, die zu ihr die Zuflucht genommen. Als ewiges Gedächtnis an die schwere Drangsal des Krieges und zum Dank für die Hilfe wurde dieser Oelberg gestiftet.

Du Königin des Friedens, gib den Gefallenen den ewigen Himmelsfrieden und tröste die Betrübten auf Erden. Maria, du Mutter der Bedrängten, erbitte von deinem schmerzgekrönten Sohne, daß wir bewahrt bleiben vor Krieg, Hungersnot und Pest und stehe uns bei in angstvollen Stunden des Todes!
Amen! ”

Karl Uhl