Chronik

Wiederaufbau (1945 - 1995)

Textauszüge aus der Festschrift “100 Jahre Kolpingsfamilie Gundelsheim” zum Jubiläum 1995

Wiederaufbau nach 1945

Die Wunden des Krieges, Zerstörung, Vertreibung und Gefangenschaft kennzeichnen das Leben in der ersten Nachkriegsphase. Zögernd beginnt ein demokratischer Neuanfang und auch das zerschlagene Vereinsleben entwickelt zarte Keime.

Die Kolpingsfamilie Gundelsheim trat offiziell wieder am 27. Juni 1946 in Erscheinung: 25 Mitglieder trafen sich zur ersten Versammlung im alten Vereinslokal “Gambrinus”. Der neue Präses Johannes Konrad war einer der vielen Deutschen, die damals als Heimatvertriebene und Flüchtlinge aus dem Osten und Südosten den Gemeinden als “Neubürger” zugewiesen worden waren. Als Senior der Kolpingsfamilie amtierte – wie schon 1937 – 1939 – Josef Maier.

Am 6. Oktober dann lud der Verein zu seinem 51. Stiftungsfest in den “Engelsaal” sein. Der ehemalige Präses Heberle und “Reichssenior” Alfons Bönig hatten ihr Erscheinen angekündigt; und für die große Schar der Anwesenden war es höchst aufschlussreich, wie dieser aus der Sicht der zentralen Vereinsführung die Lage des Kolpingwerks im zerstörten und zerrissenen Land schilderte.
In den westlichen Besatzungszonen ging es aufwärts, neue Mitglieder traten bei und das Berufsspektrum wurde breiter, aber man verstand sich weiterhin als Männerorganisation. Die beiden Hauptsäulen der Kolpingsvereine waren die Gruppe Kolping (Ledige zwischen 18 und 35 Jahren), geleitet vom Senior, und die Gruppe Altkolping (verheiratete und ältere Mitglieder) unter einem Altsenior.

Eine Jugendabteilung war erwünscht, doch wollte es in Gundelsheim nicht recht gelingen, eine solche dauerhaft auf die Beine zu bringen. Wohl auch deshalb, weil die von Franz Schell geführte “Schwabenjugend” – später in “Katholische Jugend” umbenannt – einen Großteile der anvisierten Jugendlichen unter 18 Jahren an sich binden konnte.

Hinzu traten seit 1948 Spannungen zwischen den Vorstandsmitgliedern auf der einen Seite und Präses Konrad auf der anderen, die sich auf Dauer nicht beseitigen ließen. Erst nachdem mit Kaplan Andreas Moschina ein neuer Präses die Kolpingsfamilie führte (seit 1950), kann von einer Konsolidierung gesprochen werden.

1947 war es Johann Steigleder gelungen, die “Kolpingskapelle” wieder zu aktivieren. Sie wird bis in die sechziger Jahre hinein fester Bestandteil nahezu aller großen Veranstaltungen in Gundelsheim sein (die heutige Bläsergruppe der kath. Kirchengemeinde besteht zu einem Teil noch aus ehemaligen Aktiven dieser Kapelle).

Auch die im Gesellenverein mit Hingabe gepflegte Theatertradition lebte in vollem Umfang nach dem Krieg wieder auf. Das Repertoire wollte belehren und erfreuen. Im Rückblick zeigt sich eine vielfältige Palette bunter Schauspielkultur vom frommen oder romantischen Rührstück übers Historiendrama bis hin zu klassischen Werken.

Die Freude am Laienspiel verebbte schließlich Ende der sechziger Jahre. Gespielt wurde in der Regel im (heute nicht mehr vorhandenen) Saalbau der Gastwirtschaft “Zum Engel” oder in der Turnhalle des Turnvereins und seit 1966 im Saal des neu erbauten katholischen Gemeindehauses.

Mit dem Wegzug von Präses Norbert Amann (1954 – 1961) nach Kirchberg an der Iller endete in Gundelsheim die lange Periode, in der die jeweiligen Kapläne die Jugend und die kirchlichen Vereine betreut haben. Pfarrer Alfred Gluns (seit 1962) und nach ihm Adolf Schuhmacher, Karl Müller, Christian Brencher und Heinrich Weikart mussten ohne Kapläne auskommen. Außerdem wuchs ihr Seelsorgebereich bei steigender Einwohnerzahl. Auch auch, weil sie außer für Gundelsheim und Böttingen schließlich noch für die Pfarreien in Obergriesheim, Bachenau, Tiefenbach und Höchstberg zuständig wurden. Dies hat u. a. dazu geführt, dass sich die Leitung der Kolpingsfamilie stärker zu Senior und Altsenior hin verlagern musste.

Die neue Kolpingsfamilie

Sie ist nicht von heute auf morgen entstanden, es brauchte Gewöhnung, bis sich von 1966 an die neuen Strukturen durchsetzen konnten. Das Ziel, tüchtige Christen heranzubilden, die ihr Leben in Familie, Beruf und Gesellschaft verantwortlich gestalten und damit einen Beitrag zur positiven Veränderung der Welt leisten, blieb unverändert. Aber man hatte erkannt, dass die Basis zu schmal, zu einseitig war. Zu einer Familie gehören nicht nur Männer. Und so war die Entscheidung, auch weibliche Mitglieder aufzunehmen, nur logisch und konsequent. Anstelle der ein wenig angestaubt klingenden Funktionen des Seniors und des Altseniors wurde das Amt des Vorsitzenden eingeführt. Daneben gibt es Leiterinnen und Leiter der Altersgruppen Jungkoping, Gruppe Kolping und Junge Erwachsene. Auch Interessen- und Aktionsgruppen können eingerichtet werden. Zusätzlich verlagerte sich die Zielrichtung des Kolpingwerkes verstärkt auf die Dritte Welt – Hilfe zur Selbsthilfe möchte man anbieten.

Für die Entwicklung der Kolpingsfamilie Gundelsheim folgenreich wurde das von Pfarrer Adolf Schuhmacher – Präses seit 1977 – herbeigeführte Zusammengehen der Pfarrjugend Katholische Junge Gemeinde (KJG) mit Kolping. Er hatte erkannt, dass das bisherige Nebeneinander innerhalb der Kirchengemeinde wenig Sinn ergab. Nach gründlichem Abwägen kamen im Februar 1979 die Gruppenleiterinnen und Gruppenleiter überein, die KJG als Jungkolping weiterzuführen. Das waren zunächst vier Mädchen- und drei Jungengruppen mit etwa 70 Jugendlichen.

Von der Gründung einer Frauengruppe im Jahre 1978 durch Heide Herold gingen weitere Impulse zu einer breit gefächerten Kolping-Vereinsarbeit aus.

Im Jubiläumsjahr 1995 – hundert Jahre nach der Gründung – zählte die Kolpingsfamilie Gundelsheim 227 Mitglieder, davon 114 männlich und 113 weiblich. Erfreulich ist auch die Altersstruktur: 80 Mitglieder waren jünger als 18 Jahre, 94 gehörten zur Altersgruppe zwischen 18 und 49 Jahren, 50 Jahre und älter waren 73 Mitglieder.