Chronik

Frische Impulse (1918 - 1933)

Textauszüge aus der Festschrift “100 Jahre Kolpingsfamilie Gundelsheim” zum Jubiläum 1995

Frische Impulse

Es dauerte eine Weile, bis der Gesellenverein nach 1918 in Gundelsheim wieder Tritt fassen konnte. Die vom Krieg geschlagenen Lücken, aber auch der politische Umbruch von der Monarchie zur Republik wirkten lähmend nach. Hinzu kam die existenzielle Krise v. .a im gewerblichen Mittelstand, dem eine fortschreitende und schließlich galoppierende Inflation die Ersparnisse und oft auch die Alterssicherung zerrinnen ließ.

Am Ort war für die männliche Jugend bis zum Alter von 16 Jahren ein Katholischer Jugendverein gebildet worden, aber er florierte nicht. Die Idee des damaligen Präses Kaplaneiverweser Stephan Ladenburger (1919 – 1923), diesen mit dem Gesellenverein zu verschmelzen, half keinem von beiden. Zu verschieden waren naturgemäß die Interessenlagen und Verhaltensweisen der jungen Burschen und der teilweise bereits erwachsenen Gesellen. Verständlich auch, dass manche Eltern es nicht gern sahen, wenn die gemeinsamen Veranstaltungen – wie im Gesellenverein üblich – im Nebenzimmer von Gaststätten stattfanden. Eigene Jugendräume hatte die kirchliche Gemeinde damals nicht.

Kaplan Ladenburger hatte auch nicht viel Zeit für eine intensive Jugendarbeit. Er wurde ganz von den Baumaßnahmen im Zuge der Kirchenerweiterung beansprucht.

Neue, vielfältige Impulse gingen dagegen von den Nachfolgern aus: zunächst von Kaplan Josef Eble (1923 – 1930) und – mehr noch – von Kaplan Julius Heberle (1930 – 1935). Ihrem Vorbild und ihrer prägenden Überzeugungskraft ist es zu verdanken, dass eine beachtliche Anzahl der Vereinsmitglieder auch nach 1933 und bis in  die Kriegsjahre hinein unbeirrt die Ziele Kolpings bekannt haben, nicht selten auch unter massiver persönlicher Bedrohung.

Als Josef Eble im Oktober 1923 die Leitung des Gesellenvereins übernommen hatte, konnte er feststellen, dass der Zustand des Vereins und der Zustand des Vereinssymbols einander sehr ähnlich waren: die Fahne war unansehnlich geworden, ihr Stoff verschlissen. Er ließ eine neue in Auftrag geben, “in Seide und in den Farben weinrot und creme” sowie unter Verwendung des noch brauchbaren Bildes und der Inschriften. Dann erfolgte im Beisein von 30 Vereinen am 07.09.1924 die festliche Fahnenweihe. Als Patenverein fungierte der Gesellenverein Heilbronn.

Josef Ostberg, bewährt als langjähriger Senior, Vicepräses und begeisterter Theatermacher, regte 1923 die Bildung einer DJK-Sportabteilung (DJK – Deutsche Jugendkraft; Dachverband der Sportabteilungen in den kath. Vereinen) innerhalb des Gesellenvereins an. Ostbergs Vorschlag fand Beifall und wurde zunächst mit Begeisterung verwirklicht, freilich fehlten ausreichende Sportstätten. Positiv war, dass dem unverkennbar zunehmenden Interesse der Jugendlichen am Sport jetzt innerhalb des Vereins Rechnun getragen werden konnte. Andererseits führten die neuen Aktivitäten beinahe zwangsläufig zu Missstimmungen, etwas mit dem örtlichen Turnverein oder (nach 1926) mit dem VfR, dem Fußballverein, v. a. wenn einzelne Sportler zwischen den Vereinen wechseln wollten. Erlebnsreich und beeindruckend für die Jugendlichen waren sie allemal, die großen DJK-Sportfeste in der Region. Auch sonst erzielten sie eine nicht übersehbare und durchaus beabsichtigte Außenwirkung. Neben den beiden anderen sporttreibenden Vereinen hat sich die DJK-Abteilung in Gundelsheim nicht halten können – 1932 ist sie endgültig aufgegeben worden.

Längerer Bestand war einer anderen Neuerung beschieden, mit der nach Meinung der Vorstandschaft die Anziehungskraft des Gesellenvereins gesteigert werden konnte: sie ließ 1925 eine Blasmusikkapelle aufstellen, die bei Vereinsveranstaltungen und Prozessionen spielen sollte. Es dauerte nicht lange und die Musikkapelle entwickelte sich immer mehr zum Stolz und zum Vorzeigeobjekt des gesamten Vereins, erhielt eine Menge Lob und beachtliche Preise bei Musikfesten und Vereinstreffen.
 

Seit 1930 wurden die normalen Vereinsversammlungen getrennt nach Altersgruppen abgehalten, sodass in der Regel die Jugendabteilung im Wechsel mit der Gruppe der aktiven Gesellen zu Gesprächen mit dem Präses, dem Senior oder auswärtigen Gästen zusammentraf. 1931 umfasst die Jugendabteilung 32 Mitglieder, Gesellen waren es 69, zusammen also stattliche 100.

Damals beging man auch zum ersten Mal den “Jugendsonntag“, ein feierliches Bekenntnis der Jugend zu Christus. Und in der “Unterländer Volkszeitung” war zu lesen:

Der Jugendsonntag am 21. Juni war für Gundelsheim – Böttingen wie Morgenröte einer neuen Zeit. Den Auftakt bildete ein

strammer Aufmarsch in der Kirche: Jugendverein, Gesellenverein, Jugendbund und Constantia. Ein erquickendes Bild in heutiger Zeit, wenn Buben und Mädels, 165 an der Zahl, gemeinsam zur Kommunionbank schreiten! Als der Prediger die Kanzel bestieg und vom Recht der Jugend zu eigener Art sprach, da schimmerte manches Vaterauge, manches Mutterauge feucht, da leuchtete das Vertrauen auf auch zur heutigen Jugend. Nach dem Nachmittagsgottesdienst sammelte sich die Jugend zum Aufmarsch. Voran das wirkungsvolle Sturmbanner mit dem Zeichen Christi. Mit frohem Lied ging der farbenprächtige Zug nach und durch Böttingen und von da auf den Michaelsberg, wo ein frohes Leben und Treiben begann. Bei hereinbrechender Dämmerung gruppierte sich der Fackelzug durch das romantische Städtchen. Voran die Musikkapelle des Gesellenvereins. Dann kamen die Jungens und Gesellen mit Fackeln und die Mädchen mit Lampions. Auf dem Schulhof wurde ein Feuer entfacht. Es erscholl das Lied: ‘Flamme empor!’ Ein Sonnwendspruch von Joseph Maier, ein Musikstück, eine flammende Ansprache des Präses und mit der Mahnung: ‘Christi Zeichen trage auf deiner Brust und  Christi Geist im Herzen!’ bekamen die Jungen ihr Christusabzeichen. Feurig gelobten sie ihr Fuldaer Bekenntnis.”

Auch wenn uns heute vieles hieran zu pathetisch und “stramm” erscheint, so können wir doch nachempfinden, dass solche Feiern die jungen Leute bestärkt und ermutigt haben. Und das hatten sie nötiger denn je. Die Weltwirtschaftskrise hatte Deutschland erfasst und Not und Hoffnungslosigkeit waren groß …