Unsere Geschichte

Die Gründerjahre

Die eigentliche Gründung des katholischen Gesellenvereins zu Tiengen fällt ins Jahr 1859. Allerdings weisen Kassenbücher der damals selbständigen Stadt Tiengen zwischen 1833 und 1850 bereits darauf hin, dass es einen “Gesellenverein” gegeben haben muss; dort ist von einem aus 1833 stammenden Vereinsstatut die Rede, nähere Belege für die Existenz dieses Vereins gibt es aber nicht.

Das erste kleinere Jubiläum feiert der Gesellenverein zu seinem 25jährigen Bestehen im Jahr 1884, und zwar zusammen mit den Vereinen in Lörrach, Säckingen und Waldshut. Das 35jährige Jubiläum 1894 ist in Tiengen mit einer Fahnenweihe belegt; die Feier selbst erfolgte wiederum zusammen mit den Vereinen am Hochrhein. 1899 feiert der Gesellenverein im Juni das 40jährige Bestehen und zwar zusammen mit dem Gesellenverein in Waldshut. Immerhin 26 Gesellenvereine aus der Schweiz und ganz Baden sind 1909 in Tiengen zum 50jährigen Jubiläum zu Gast.

Kolpinghaus Tiengen

“Wir bauen unserer Jugend ein Heim”, mit diesem Satz ging Präses Hugo Schanzenbach zum 90jährigen Stiftungsfest des Vereins 1949 in die Geschichte ein. Dahinter verbarg sich das Vorhaben, auch in Tiengen ein Gesellenhaus zu errichten, wie es anderenorts seit den Lebzeiten Kolpings auch Usus gewesen war. Den finanziellen Grundstock legte Kaufmann Oskar Haug, der, glücklich über die Kriegsheimkehr seines Sohnes (und Kolpingbruders) Egon, der Kolpingsfamilie einen ansehnlichen Betrag zur Verfügung stellte.

Architekt und Kolpingbruder Stefan Reichmann fertigte unentgeltlich die Pläne an, die Pfarrei stellte das notwendige Gelände am Standort der heutigen Kriminaldirektion Waldshut-Tiengen (Ostpreußenstraße) zur Verfügung. Zuschüsse von Bund und Land sowie Spenden stellten sicher, dass am 7. Mai 1951 der erste Spatenstich erfolgen konnte. Maurermeister Johann Rossa sen. setzte im Juli den Grundstein, und schon im September des gleichen Jahres konnte das Richtfest gefeiert werden. Zum Betrieb des Hauses wurde der Kolpinghaus Tiengen e.V. gegründet. Mit einem großen Festakt konnte das neue Kolpinghaus im Mai 1852 in Betrieb genommen werden.

Die “Schattenseite” der anhaltend positiv sich entwickelnden Konjunktur bis zum Ende der 1950er Jahre bestand darin, dass Gesellen und Lehrlinge zunehmend eine Ausbildung in Nähe zum eigenen Wohnort fanden und die Belegung daher fortlaufend schrumpfte. 1958 versuchte man umzusteuern. Nun nahm eine Förderschule im Kolpinghaus ihren Betrieb auf, die junge Spätaussiedler auf den Einstieg ins Berufsleben vorbereitete. Aber auch diese Belegung ging schließlich zurück, weshalb unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten für den Trägerverein nurmehr der Verkauf als Alternative blieb.

Es erfolgte der Verkauf des Kolpinghauses ans Land Baden-Württemberg, das dort anschließend den Tiengener Polizeiposten unterbrachte. Der Verkaufserlös des Hauses bildete den Grundstock für den Bau des katholischen Pfarrsaals. Es sollte bis Ende 1969 dauern, bis sich die Zusage des seinerzeitigen Pfarrers Eugen Fürstos erfüllte, der Kolpingsfamilie wieder ein Heim zu geben. Dann konnte das Kolpingheim am Seilerberg bezogen werden, das 1988 durch Erweiterung seine heutige Gestalt erhielt.

Schwierige 1930er Jahre

Die 75-Jahr-Feier des Gesellenvereins steht 1934 schon unter dem Eindruck der NS-Herrschaft. Ein Jahr zuvor war der Gesellentag in München, an dem auch Tiengener Mitglieder teilgenommen hatten, durch die SA brutal aufgelöst worden. Der äußere Rahmen war ein Jahr nach der Machtergreifung eher bescheiden, und es ist vor allem dem seinerzeitigen Senior Stefan Reichmann zu danken, dass der Gesellenverein trotz kriegsbedingter Mitgliederverluste und den politischen Umständen sozusagen konspirativ weiter tätig war.

Wiedergründung nach dem Krieg

Nach der formalen Wiedergründung 1947 mit Senior Fritz Großhans und Präses Hans Scheuermann begeht der Verein zwei Jahre später sein 90jähriges Bestehen. Es ist verbunden mit dem Dekanatsjugendtreffen sowie einer Handwerkerausstellung im Gasthaus “Ochsen”. Ein neues Banner kann geweiht werden – eine Spende des Zentralverbandes des schweizer Kolpingwerks. Auch zum 100jährigen Jubiläum im Mai 1959 bildet eine Handwerkerausstellung den äußeren Rahmen. Diözesanpräses Dr. Alois Stiefvater ist der Festprediger. Der Oberrheinische Gesellentag im  Juni des gleichen Jahres führt die Gesellenvereine nach Lörrach, wo ein großer Festzug mit internationaler Beteiligung stattfindet.

Aufschwung in den späten 1970ern

Ab 1977 treibt der Vorsitzende Egon Slezak die eigene Jugendarbeit voran. Bislang hatte man sich weitgehend darauf verlassen können, dass der Nachwuchs aus der kirchlichen Jugendarbeit fast automatisch den Weg zu Kolping findet. Nun existieren in der Kolpingsfamilie eigene Jugendgruppen, für Jungs wie für Mädchen; steigende Mitgliederzahlen sind die Folge.

Diskussion in Bonn mit den Abgeordneten Werner Dörflinger und Dr. Hermann Schwörer (Sigmaringen).

Den Besuch beim “eigenen” Bundestagsabgeordneten macht die Kolpingsfamilie 1981 in Bonn. Werner Dörflinger begrüßt die Kolpingfreunde in der Bundeshauptstadt, wo man die Regierungszentrale (und auch noch einiges andere) unter die Lupe nimmt. Zum Ende der Amtszeit als MdB fährt die Kolpingsfamilie 1998 auf Einladung Dörflingers nach Berlin – Deutschland ist noch geteilt.

Bundeskanzler a.D. Dr. Kurt-Georg Kiesinger ist der Festredner bei der Kundgebung zum 125jährigen Jubiläum 1984 auf dem Kirchplatz. Noch heute in bester Erinnerung ist die Festpredigt des

Bundeskanzler a.D. Dr. Kurt-Georg Kiesinger bei der Kundgebung auf dem Kirchplatz.

Tiengener Jesuitenpaters Bernhard Grom SJ aus München. Beim Festakt am Samstag spricht der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Kolpingbruder Prof. Siegbert Alber. Die Kolpingsfamilie spielt (wieder einmal) Theater; zum Abschluss des Jubiläums heißt der Schwank “Der Hochstapler”.

Das Ereignis schlechthin ist die Seligsprechung Adolph Kolpings 1991 in Rom. Mit einer stattlichen Delegation startet die Kolpingsfamilie Tiengen zusammen mit Gästen aus dem In- und Ausland in die ewige Stadt. Wolfram Müller hat die organisatorische Vorarbeit geleistet, damit die Tage in Rom unvergesslich bleiben.

Die Entwicklung bis heute

Generalpräses Msgr. Ottmar Dillenburg beim Festgottesdienst mit Johannes Jensen und Johannes Dörflinger

Kolpingbruder Prof. Dr. Paul Kirchhof bei der Festrede im Pfarrsaal.

Franz Söffge, Vizepräses der Kolpingsfamilie Tiengen

Die Teilnahme am Kolpingtag 2000 in Köln markiert den Start in die Jetzt-Zeit. Eine stattliche Anzahl Teilnehmer aus Tiengen kehrt mit vielen und lange anhaltenden Eindrücken aus der Domstadt zurück. 2009 feiert die Kolpingsfamilie ihr 150jähriges Jubiläum. Prof. Dr. Paul Kirchhof ist Festredner zum Jubiläum im Pfarrsaal, das ein buntes Programm kennzeichnet. Zum ersten Mal erscheint eine gedruckte Chronik, für die Kurt Benda, Martin und Werner Dörflinger, Waldemar Herz und Klaus Nieke redaktionell verantwortlich zeichnen.

Nach den guten Erlebnissen aus dem Jahr 2000 am Kolpingtag ist auch eine Tiengener Delegation beim Engagiertentreffen egat in Fulda dabei. Dass sich dies 2015 beim Kolpingtag in Köln wiederholt, braucht nicht eigens betont zu werden. Die letzte größere “Ausfahrt” markiert 2017 eine mehrtägige Bildungsreise nach Berlin.