Die Walz ist ein jahrhundertealtes Ritual, das sich bis in die Neuzeit gehalten hat. Immer wieder werden im Unnaer Rathaus Handwerksgesellen auf Wanderschaft vorstellig, die um das Siegel der Kreisstadt Unna für ihr Wanderbuch und um eine Unterstützung bitten. Am Montag (16. Oktober) machten nun gleich 13 Gesellinnen und Gesellen auf einmal Bürgermeister Dirk Wigant ihre Aufwartung – ein so ungewöhnlicher wie schöner Besuch.
Der Hintergrund: Tischlergeselle Jonas (22) aus Unna ging am Montag auf Wanderschaft, wurde von „Exportgesellin“ Emma (23) abgeholt, die ihn in der sogenannten Aspirantenzeit – so werden die ersten drei Monate der Walz genannt – begleiten wird. Bevor sich Jonas am Ortsschild von seiner Familie verabschiedete, machte er sich zusammen mit zwölf weiteren Gesellinnen und Gesellen in traditioneller Kluft auf den Weg zum Rathaus. Seinen bürgerlichen Nachnamen hat Jonas für die Zeit der Walz abgelegt, nennt sich nun Jonas Fremder Tischler Aspirant im Freien Begegnungsschacht – das ist die Handwerkervereinigung, der er sich angeschlossen hat.
Neben dem Stempel für ihre Wanderbücher erhielten die Gesellen auf Wanderschaft von Bürgermeister Dirk Wigant jeweils eine Unterstützung in Form eines City-Gutscheins – und damit die günstige Gelegenheit, sich im Unnaer Einzelhandel mit Proviant oder Kleidung für ihre weitere Reise einzudecken. Diese Reise führt die Gesellen im ersten Jahr der Walz durch ganz Deutschland und danach auch über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus. Den möglichen Zielen sind dabei kaum Grenzen gesetzt – nur um die Heimatstadt gilt eine Art Bannmeile mit einem Radius von 50 Kilometern.
Für Jonas, der seine Lehre in einer Tischlerei in Fröndenberg absolviert hat, stand schon länger fest, dass er dem alten Brauch folgend auf dreijährige Wanderschaft gehen wollte, um die Welt zu sehen und Neues zu lernen, sowohl für seinen Beruf als auch fürs Leben an sich.
Die Wanderschaft hat etwas Urtümliches, das ganz bewusst gepflegt und bewahrt wird: So verzichten die Handwerksgesellen gänzlich auf moderne Kommunikationsmittel, haben also weder ein Smartphone noch Tablet oder Laptop dabei. Die Fortbewegung erfolgt zu Fuß oder per Anhalter. Und morgens wissen sie oft nicht, wo sie abends schlafen werden – draußen an der frischen Luft, wenn es dafür nicht zu kalt ist, oder auf dem Sofa eines bis dato Fremden, der sie für eine Nacht bei sich aufnimmt.
Bürgermeister Dirk Wigant gab Jonas, Emma und den übrigen Gesellinnen und Gesellen neben Stadtsiegel und City-Gutschein alle guten Wünsche für ihre Wanderschaft mit auf den Weg – und verlieh außerdem dem Wunsch Ausdruck, Jonas nach dem Ende seiner dreijährigen Walz wieder in Unna begrüßen zu dürfen.
Wir wünschen unserem Kolpingbruder Jonas eine fixe Tippelei (so wünscht man einem Wandregesellen alles Gute).