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Mit positiver Kraft gegen den Hass - Dunja Hayali fasziniert in Kronach

veröffentlicht am

Sie kommt aus dem Ruhrpott, lebt in Berlin und bereist schon mal die halbe Welt, auch bis hin zu den arabischen Wurzeln ihrer geliebten Eltern – Dunja Hayali, bekannt aus dem ZDF-Morgenmagazin und dem aktuellen Sportstudio, hatte nie das Gefühl, nicht deutsch zu sein. „Dieses Gefühl hat sich jedoch in den letzten Jahren etwas verflüchtigt“, bedauerte die sympathisch und bodenständig auftretende Fernsehmoderatorin, als sie am Mittwochabend im vollbesetzten Kreiskulturraum ihr aktuelles Buch „Haymatland“ – eine Anspielung auf ihren Nachnamen – vorstellte.

In sehr persönlicher Art und Weise setzt sie sich darin mit dem aktuell viel diskutierten Begriff Heimat auseinander, den sie aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet. Dabei rückt die Tochter irakischer Einwanderer denjenigen auf den Leib, die versuchen, ihr Grundverständnis von Freiheit, Demokratie, Grundrechten und Heimat infrage zu stellen. Gelesen wurde in den rund drei Stunden nur kurze Passagen. Ansonsten sprach die charismatische Buchautorin frei von der Leber weg mit bemerkenswerter Offenheit über ihre Liebe zu Deutschland und ihr Empfinden von Heimat, aber auch, was in Deutschland schiefläuft. Sie selbst habe mindestens drei Heimatorte: Datteln, wo sie geboren ist; Köln, wo sie flügge geworden ist, sowie Berlin, wo sie heute lebt.

„Heimat ist dort, wo meine Familie ist. Meine Familie ist mir heilig; danach kommt lange nichts“, verdeutlichte die 48-Jährige, die dann auch umfassende Einblicke in ihren familiären Werdegang bot. Geboren 1974 im westfälischen Datteln als Tochter irakischer Christen, die beide unabhängig voneinander nach Europa gekommen waren. Hier wollten sie studieren und später mit einer guten Ausbildung wieder zurückkehren. Sie lernten sich in Wien kennen und lieben, heirateten, zogen nach Deutschland und blieben dort. „Die Integration fiel ihnen nicht schwer“, erzählte die Autorin; seien ihre Eltern doch aufgrund ihrer Offenheit und Kontaktfreudigkeit schnell heimisch geworden. In Deutschland geboren zu sein, sei für sie und ihre beiden Geschwister – Dunja Hayali hat noch einen Bruder und eine Schwester – wie ein Gewinn im Geburtslotto gewesen, wofür sie sehr dankbar sei. Gleichzeitig hätten ihnen ihre Eltern auch mit auf den Weg gegeben, nicht ihre Herkunft zu vergessen.
Als sie 2007 beim ZDF begann, habe ihr Kollege Claus Kleber gemeint, es werde etwas auf sie zukommen. Das Ausmaß habe sie sich nicht vorstellen können, wobei die ihr damals entgegengebrachten Schimpftiraden nichts im Vergleich zu den jetzigen Hassnachrichten seien, die seit 2015 nonstop auf sie einprasseln. Tagtäglich erhält sie Post oder Nachrichten in den sozialen Netzwerken von Leuten, die ihr das Allerschlimmste wünschen. Einige dieser überwiegend anonym geposteten Beleidigungen und Drohungen mit Schimpfwörtern der übelsten Sorte las sie vor. „Gesetzestreue hochqualifizierte Bürger“, die ihr vorwerfen, die deutsche Sprache nicht zu beherrschen oder die Islamisierung Deutschlands voranzutreiben. „Was macht dieser Rassismus rund um die Uhr mit einem?“, warf sie in den Raum. Sie selbst habe Familie, Freunde, Kollegen, Hobbies und ihre Arbeit, die ihr Halt gäben. Was aber sei mit den Menschen, die zugewandert oder migriert seien, die diesen Rückhalt nicht hätten?
Obwohl sie der Fremdenhass in geballter Form trifft, wird sie nicht müde, sich dem aktiven, fairen und offenen Dialog mit Andersdenken zu stellen und den konstruktiven Austausch mit ihren Kritikern zu suchen. Immer wird dabei ihr unerschrockenes Bemühen um Ausgleich und Toleranz deutlich, ihr Engagement für Kinder und Jugendliche, Meinungspluralität und gegen Hassreden, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, wofür sie mehrfach ausgezeichnet wurde; darunter auch 2018 mit dem Bundesverdienstkreuz. „Meinungsfreiheit bedeutet Meinungsvielfalt und dazu gehört auch der Widerspruch“, bekundete sie, das Streiten eigentlich „super“ sei. Viele hätten jedoch das Streiten-Können verlernt. Sie appellierte, nicht in Schubladen zu denken, sondern unvoreingenommen zu sein und sich auch mit Grautönen auseinander zu setzen. Bei alledem sei die Kommunikation das A und O: „Reden, reden, reden!“

Obwohl sie gelegentlich etwas den roten Faden verliert und abschweift, hätte man ihren leidenschaftlich-couragierten, dabei durchaus auch selbstkritisch reflektierenden Ausführungen auch noch nach drei Stunden weiter zuhören mögen. Gerne stellte sich die ebenso eloquente wie schlagfertige und humorvolle Autorin den Fragen des Publikums. Dabei wurde sie unter anderem zu ihrer Meinung nach einer Frauenquote, dem Wahlrecht ab 16 und die Protestbewegung im Iran befragt sowie zu einer möglichen Überbevölkerung, was sie nicht als Problem sah: „Wir haben genug Geld, Nahrung und Platz. Wir müssten es nur besser verteilen!“ Natürlich wurde auch die Fußball-WM angesprochen; konkret die bizarre Pressekonferenz von Fifa-Präsident Gianni Infantino, die in ihren Augen an Armseligkeit, Peinlichkeit, Übergriffigkeit und Groteske nicht zu überbieten sei. Sie selbst würde gerne einmal, antwortete sie auf eine weitere Frage, Despoten wie Putin oder Erdogan interviewen.

Bei alledem handele es sich, betonte sie, um ihre ganz persönlichen Ansichten und Erfahrungswelten, ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Mit dem Zitat von Jean-Paul Sartre „Vielleicht gibt es schönere Zeiten, aber diese ist die unsere!“ beschloss sie den zum Nachdenken anregenden, mit großem Applaus bedachten Abend. Ein Abend voller Denkanstöße, der noch lange nachklingt und Mut macht, den Begriff „Heimat“ und „Fremde“ für sich selbst zu hinterfragen.
Dunja Hayali folgte mit ihrem Besuch einer Einladung der Kolpingsfamilie Kronach, deren Vorsitzender Matthias Simon eingangs auf die Veranstaltung eingestimmt hatte. Im Anschluss lernte sie auch die in großer Anzahl vertretenen „MutMacher“ des Frankenwald-Gymnasiums kennen, die am Folgetag zehnjähriges Jubiläum der Zertifizierung ihrer Schule als „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ feierten. Mittlerweile zählt die Gruppe 75 Schüler, die sich für ein vorurteilsfreies Miteinander in unserer Gesellschaft einsetzen.

Bild oben: Die MutMacher des Frankenwald-Gymnasiums zusammen mit Dunja Hayali.
Biuld unten: Dunja Hayali im Gespräch mit dem dem Publikum.

Text und Bilder: Heike Schülein, freie Autorin, Wilhelmsthal – Steinberg