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Heinrich Schreiber ist tot

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Man konnte ihm fast täglich begegnen, wenn er – stets zu Fuß – durch die Straßen seiner Heimatstadt unterwegs war. Oft blieb er stehen, registrierte Veränderungen, unterhielt sich kurz und ging dann seinen Weg weiter, meist in sein Atelier in der Oberen Stadt oder von dort in sein Haus in die Klosterstraße. Dort verstarb Heinrich Schreiber im vergangenen Sonntagvormittag. Die Nachricht von seinem plötzlichen Tod kam überraschend, war er doch noch in der letzten Woche täglich auf der Festung bei der Sandsteinwerkstatt präsent, die derzeit zum 21. Mal stattfindet.

Heinrich Schreiber wurde 1935 in Kronach geboren und kam bereits in seiner Kindheit mit dem Beruf des Steinmetzes in Berührung. Hier absolvierte er seine Lehr- und Gesellenzeit als Steinmetz und Steinbildhauer, bevor er für fünf Jahre zum Studium an die Akademie der Bildenden Künste in München ging. Josef Henselmann, der zu jener Zeit wohl begehrteste Professor der Münchner Akademie, wurde Schreibers Lehrer. Mit ihm teilte er die Ablehnung der Gegenstandslosigkeit, die damals in Deutschland große Triumpfe feierte und die Zuneigung zu Bauplastik und Arbeiten für den sakralen Bereich. Beides prägte fortan das Schaffen Heinrich Schreibers, der sich 1960 in seiner Heimatstadt als freischaffender Künstler niederließ. Hier verbrachte er fast 60 Jahre seines künstlerischen Wirkens, hier gründete er mit seiner Frau Hedwig seine Familie, hier wurden seine Kinder Mechthild, Eva, Johannes und Tobias geboren.

Kronach, wie es sich heute zeigt, ist ohne die Werke Heinrich Schreibers ebenso unvorstellbar, wie Heinrich Schreiber ohne sein Kronach. “Es spricht für die Verbundenheit mit seiner Heimat, dass Schreiber nach Abschluss seines Studiums in seine Vaterstadt zurückgekehrt ist, wo er sich mit seiner ihm eigenen, unverwechselbaren Formensprache erst einmal durchsetzen musste” schrieb Dr. Josef Kern in seiner Einführung zu einem Ausstellungskatalog 1998. Wie Recht er damit hatte, konnte Heinrich Schreiber in vielen kleinen Geschichten erzählen, die ihm zu jedem seiner Kunstwerke einfielen und die er, sonst eher schweigsam, seinen interessierten Zuhörern gerne zum Besten gab. Heute begegnet man seinen Werken in Kronach auf Schritt und Tritt. Sie fügen sich so unauffällig in die Fassaden und Plätze ein, dass sie oft im Vorbeigehen kaum wahrgenommen werden. Und doch prägen Schreibers Skulpturen, Bronzereliefs, Stelen und Brunnen die Straßen, Plätze aber auch viele Hinterhöfe und Gärten in Stadt und Landkreis. So zählt das Werkverzeichnis, das zu seinem 75. Geburtstag erschienen ist, alleine mehr als 180 Eintragungen nur für den Landkreis Kronach. Mit seiner Kunst wurde Heinrich Schreiber zu einem Botschafter seiner Heimat weit über diese hinaus, finden sich doch seine Werke in vielen deutschen Städten und bis in die Kronacher Partnerstädte Hennebont (Frankreich) und Kishkunhalas (Ungarn). Die Stadt Kronach dankte es ihm mit der Goldenen Ehrenmedaille der Stadt Kronach (2002) und der Ernennung zum Ehrenbürger (2003), der Landkreis mit dem Großen Kulturpreis des Landkreises Kronach (2002).

Von einer tiefen Religiosität geprägt galt Schreibers Hauptaugenmerk zeitlebens den von religiösen Inhalten bestimmten Darstellungen. Sein umstrittenes Erstlingswerk, die Madonna auf dem Marienbrunnen am Marienplatz, zeugt ebenso davon wie die vielen Kirchen, die Heinrich Schreiber ab den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts um- oder neu gestalten durfte. Allein im Landkreis Kronach tragen mehr als 25 Kirchen und Kapellen seine künstlerische Handschrift, die von einzelnen Einrichtungs- oder Kultgegenständen bis zur künstlerischen Gesamtkonzeption, wie in Friesen oder Reichenbach, reicht. Hier war Heinrich Schreiber ein kritischer Begleiter der jeweils Planenden, der niemandem seine Meinung oder theologische Ansicht aufdrängte, dessen provokative Fragen man aber aushalten musste. So entstanden in der ihm eigenen Formensprache viele schlüssige sakrale Räume, deren Wert nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Über seine künstlerische Arbeit hinaus brachte er sich in die aktive Gestaltung des Glaubenslebens in seiner Heimatstadt ein. Viele Jahre war er Mitglied des Pfarrgemeindesrates von St. Johannes, wo ihm besonders die Ökumene ein großes Anliegen war. In der ökumenischen Basisgemeinschaft “action 3652 engagierte er sich bis zuletzt – dass der letzte Altar der Schwedenprozession in jedem Jahr die Themen des jeweiligen Kirchen- oder Katholikentages aufgreift, ist heute vielen Kronachern eine Selbstverständlichkeit. Heinrich Schreiber war es ebenso ein Herzensanliegen wie die vielen Zeugnisse der Volksfrömmigkeit in Wald und Flur, Martern und Flurkreuze, die er mit seinen Weggefährten vor dem Verfall oder dem Verschwinden rettete.

Heinrich Schreiber war Mitglied in vielen Vereinen und Gruppen, z.B. der Hetzfelder Flößerzunft, der Kolpingsfamilie Kronach, dem Verein 1000 Jahre Kronach und vielen anderen mehr. Sein künstlerisches Wirken wurde mit vielen Preisen und Auszeichnungen gewürdigt, unter anderem mit dem Kulturpreis der Oberfrankenstiftung (1996) oder dem Bundesverdienstkreuz am Bande (2004). Ehrungen und Auszeichnung ertrug er dabei eher, als dass er sich gerne in den Mittelpunkt stellen ließ. Lieber saß er mit Freunden oder Kollegen in seinem Atelier, dem ehemaligen Tanzhäuschen, gesellig zusammen, zauberte ein Liederbuch aus seiner Schürze und stimmte ein frohes Lied an. Wer Heinrich Schreiber einmal in solch froher Runde erleben durfte, der weiß, welch liebenswerten Mitbürger und Freund viele Kronacher verloren haben. Auf den Straßen seiner Heimatstadt wird der “Knüfelheiner” fehlen – in seinen Werken lebt er weiter.

Text: Matthias Simon
Foto: Gisela Lang, MA