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Kolpingsfamilie

Hennef

Portrait Adolf Kolping
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Jüdisches Leben seit 1331 in Hennef

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Seit rund 700 Jahren gibt es jüdisches Leben in Hennef. Darüber hat Jan Baucke, Leiter des Hennefer Stadtarchivs, beim Informationsabend der Kolpingsfamilie berichtet. Im Jahr 1331 erfolgte die erste urkundliche Erwähnung im Amt von Stadt Blankenberg, dem heutigen Ortsteil von Hennef.

Bereits 1349 gibt es die erste Zäsur: Für das Aufkommen der Pest wird ein Sündenbock gesucht. Es ist bekannt, dass es in Köln eine Verfolgungswelle gab; sie wird auch für Stadt Blankenberg und Hennef vermutet. Im Jahr 1460 werden alle Juden aus Stadt Blankenberg ausgewiesen. Erst hundert Jahre später gibt es einzelne Erwähnungen jüdischen Lebens.

1785 gibt es genaue Zahlen durch eine Volkszählung. Acht Familien mit 33 Personen werden im Amt Blankenberg registriert. Vermutlich bildet Geistingen das Hauptsiedlungsgebiet. Im Jahr 1804 taucht in Stadt Blankenberg der Gemarkungsname „Am Jüddenhöffchen“ auf – ein Indiz für eine Siedlung.

Es ist die Zeit der französischen Besatzung des Rheinlandes. Durch den jetzt gültigen Code Civil erlangen die Juden Bürgerrechte; auch im bald preußischen Staat werden sie als Staatsbürger anerkannt. Geringe Einschränkungen bleiben. So werden ihnen offenbar Staatsämter verwehrt.

Im Jahr 1828 gibt es erneut eine Volkszählung. Juden machen jetzt einen Bevölkerungsanteil von 1,5 Prozent aus, berichtete Jan Baucke. Das klingt nicht viel, liegt aber höher als der Anteil an Protestanten.

1847 erfolgt die Erlaubnis zur Gründung von Synagogengemeinden. Im Jahr 1862 wird in Geistingen die Synagoge errichtet, „die schönte im Kreis“, wie es damals heißt. 1886 folgt der jüdische Friedhof. Jetzt folgt eine Phase der völligen Selbstverständlichkeit jüdischen Lebens: Aus zeitgenössischen Fotos geht zum Beispiel hervor, dass Juden selbstverständliche Mitglieder im Vereinswesen sind: in Sport- und Turnvereinen, auch in der freiwilligen Feuerwehr.

Als im Jahr 1912 das 50-jährige Bestehen der Synagoge gefeiert wird, nehmen viele bekannte Persönlichkeiten der Stadt daran teil. Ein Zeitungsbericht aus der Hennefer Volkszeitung vom 31. Juli berichtet umfangreich darüber: Alles, war Rang und Namen hat, ist offenbar dabei.

Bekanntestes Mitglied ist Hermann Levy. Er ist Vorsteher des Synagogenvereins und zugleich Vorsitzender, später sogar Ehrenvorsitzender des Vereins „Mit Gott für Volk und Vaterland“. Lange erträgt er offenbar die Demütigungen, die er über sich ergehen lassen muss, nachdem die Nazis das Sagen haben.

Dabei haben es die Nationalsozialisten zunächst nicht einfach in Hennef. Bei den Reichstagswahlen im Jahr 1933 bleibt das (katholische) Zentrum die stärkste politische Kraft, gefolgt von der NSDAP, die aber nur 4 von 18 Sitzen im Gemeinderat erringen kann. Die Sozialdemokraten folgen auf Platz 3.

Mit der Machtergreifung Adolf Hitlers im gleichen Jahr dreht sich aber der Wind: Gleich darauf wird zum Boykott jüdischer Geschäfte aufgerufen, und drei Monate später treten die Zentrumsmitglieder im Gemeinderat – vermutlich unter Druck – zur NSDAP über.

Im Jahr 1936 erscheint ein Zeitungsartikel mit dem Aufruf, Hermann Levy den Ehrenvorsitz des Vereins „Mit Gott für Volk und Vaterland“ zu nehmen. Der ehemalige Kohlehändler, der seinen Betrieb bereits verkauft hat, erträgt den Druck nicht länger und nimmt sich das Leben. Ein Bürger, der an seiner Beerdigung teilgenommen hat, wird deshalb vor den Bürgermeister zitiert.

Die Reichsprogromnacht im Jahr 1938 bleibt in Hennef-Geistingen zunächst offenbar folgenlos: Die Geistinger Synagoge bleibt am 9. November unversehrt. Das ärgert den NS-Bürgermeister, der sich daraufhin Unterstützung in Siegburg holt und eine Nacht später die Synagoge in Brand legt. Das Gebäude brennt bis auf die Grundmauern ab. Ein Foto, das Jan Baucke den Teilnehmern der Veranstaltung zeigt, lässt daran keinen Zweifel. Die erwachsenen männlichen Hennefer Juden werden daraufhin für einige Zeit in „Schutzhaft“ genommen.

1941 folgt die Stigmatisierung: Bürger jüdischer Herkunft müssen fortan einen Judenstern in der Öffentlichkeit tragen. Außerdem werden sie in wenigen Häusern zwangseinquartiert und dabei zusammengepfercht. Ab 1942 werden die letzten verbliebenen Juden in die Vernichtungslager im Osten abtransportiert.

Von den Deportierten überleben nur zwei Personen; wenige andere konnten sich rechtzeitig durch Flucht ins Ausland absetzen. Der ganz überwiegende Teil ist umgekommen. „Uns bleibt nur das mahnende Gedenken“, sagt Jan Baucke. Und das nimmt die Stadt Hennef wirklich ernst. Im Rathaus gibt es eine Dauerausstellung, an der Ruine der Syagoge wurden Gedenktafeln angebracht, und an den Straßen der letzten Wohnorte von Juden wurden „Stolpersteine“ im Boden eingelassen.

Am 10. Oktober findet im Archiv der Stadt Hennef, das in der Meys-Fabrik seinen Sitz hat, von 10 bis 16 Uhr ein Tag der offenen Tür statt. Und am 3. November wird nachmittags ein Experte über den jüdischen Friedhof in Geistingen führen.

Erstaunen hat allerdings die Antwort auf die Frage erzeugt, welches Interesse die weiterführenden Schulen in Hennef an dieser Phase der Stadtgeschichte zeigen. Jan Baucke musste zur Verwunderung der Zuhörer berichten: „Obwohl wir alle Schulleitungen der weiterführenden Schulen in Hennef angeschrieben haben, erfolgte keine einzige Reaktion.“