Chronik der Kolpingsfamilie St. Columban Friedrichshafen e. V.

Chronik und Geschichte der Kolpingsfamilie-Friedrichshafen e.V

In der 2. Hälfte des 19. Jahrhundert kam es  in vielen Städten in Süddeutschland zu Gründungen von Gesellenvereinen, so z.B.: 1858 in Pfullendorf, 1862 in Ravensburg, 1863 in Saulgau, 1867 in Tettnang und 1875 in Friedrichshafen.

Aus dem Vereinsarchiv sind folgende Schilderungen über die Gründung und die Entwicklung des Gesellenvereins in Friedrichshafen entnommen:

Im Frühjahr 1875 beschlossen zugewanderte Gesellen, auch in Friedrichshafen einen Gesellenverein zu gründen. Beim damaligen Vikar und Stadtpfarrverweser Marxer fanden sie hierzu hilfreichen Beistand. Als erster Senior wurde der Geselle Anton Gihr gewählt; der bei Drechslermeister Schinacher arbeitete.

Und so sah die Situation damals in Friedrichshafen aus:

 

1864 besteigt Karl von Württemberg, der Sohn von König Wilhelm I. den Thron und wird König von Württemberg. Er baut das Schloss zu seiner Sommerresidenz aus und verlegt die Regierungsgeschäfte nach Friedrichshafen. 

1872 entsteht für 37000 Gulden das Kurhaus, eine „Perle der Stadt“.  Friedrichshafen entwickelt sich nun zur Kurstadt. Der Kurbetrieb, die Sommerresidenz und der Handelsverkehr bestimmen die wirtschaftliche Struktur von Friedrichshafen.

1880 findet nach nur 50 Jahren (1830) eine weitere Seegfrörne statt, auch damals ein Jahrhundertereignis. Friedrichshafen hat zu dieser Zeit ca. 3500 Einwohner. Erste Ansätze für den Beginn der Industrialisierung und die Entwicklung Friedrichshafens zur Industriestadt entstehen.

Die Entwicklungsstadien des Gesellenvereins in Friedrichshafen:

1876 ist die Fahnenweihe das erste große Ereignis im Leben des noch jungen Vereins. Aus den Anliegerstaa­ten des Bodenseeraumes und dem weiteren Umkreis waren die Brudervereine gekommen. Friedrichshafen erlebte einen Festumzug von imposanten Ausmaßen, er übertraf diejenigen bei Turn- und Sängerfesten.

1879 wurde eine Theatergruppe gegründet und das erste Theaterstück zum Besten gegeben. Das Theaterspiel prägte den Verein und brachte Zuspruch und Anerkennung in der Bevölkerung.

Ab 1882 traf man sich an jedem Sonntagabend im „Lokale“. Zuspätkommen und Nichterscheinen kosteten 10 Pfennig. Bereits damals übte der herrliche Boden­see eine große Anziehungskraft auf die Wandergesellen aus.

1986 schloss man einen Vertrag mit dem „Sternenwirt“, der dem Verein ein Zimmer zur Übernachtung für wandernde Gesellen für eine Jahresmiete von 120 Mark überließ. Das Vereinsleben ge­staltete sich  recht vielseitig. Neben der Theatergruppe wurde auch ein Sänger­chor gebildet und auch eine eigene Sparkasse für die Gesellen gegründet.

Damals herrschte noch Zucht und Ordnung: Dreimaliges unentschuldigtes Fehlen führte zum Ausschluss. Der damalige Präses Gebhard Kresser führte den Verein zu großer Blüte, er wurde jedoch bald nach Rott­weil versetzt.

Die Zeit um die Jahrhundertwende:

 Die letzten Jahre des 19. Jahrhunderts waren gekennzeichnet durch viele Neugründungen von Gesellenvereinen. Überall im Lande entstanden neue Ortsvereinigungen.

1895 war das 20. Stif­tungsfest ein weiterer Höhepunkt im Vereinsleben des Friedrichshafener Gesellenvereins. Ab die­sem Zeitpunkt wurden im Friedrichshafener Gesellenverein auch verschiedene Kurse und Lehrgänge angeboten. Zweimal wöchentlich fanden Versammlungen statt und dazu kam noch eine Singstunde und die Theaterproben.

1900 wurde das 25. Stiftungsfest mit der Weihe einer neuen Fahne gefeiert. In wochenlangen Vorbereitungen wurde die Stadt für das große Ereignis geschmückt. Die Kirche und das Kurhaus waren festlich gerichtet und die meisten Gebäude beflaggt. Der Festumzug am Nachmittag schien kein Ende nehmen zu wollen.„Friedrichshafen hat Ähnliches noch nie erlebt“, so schreibt der Chronist.

1902 trafen sich in Friedrichshafen die am Boden­see beheimateten Gesellenvereine aus Lindau, Langenargen, Meersburg, Rorschach zu einem schönen Fest, das jährlich an einem anderen Ort wiederholt werden sollte.

1903 trafen sich 28 Vereine in Konstanz und 1905 kamen über 40 Vereine mit insgesamt 1400 Mitgliedern nach Lindau. Die allgemeine Aufwärtsentwicklung führte auch zu einer Erhöhung der zu verköstigenden durchreisenden Gesellen; 1908 waren es bereits 285 Gesellen.

1913 passierte bei der Theateraufführung anlässlich des 38. Stiftungsfestes ein „Unglücksfall“. Ein Schütze lud sein Gewehr mit „scharfer“ Ladung und verletzte dabei einen Darsteller am Arm. Daraufhin wurde der Eintritt von 20 Pfennig zurüc­kerstattet. Der Vorfall wurde zum allgemeinen Stadtgespräch.

Die Situation zur Zeit des 1. Weltkrieges:

Der erste Weltkrieg ging auch am Friedrichshafener Gesel­lenverein nicht spurlos vorüber. 35 Mitglieder waren im Krieg, davon kehrten fünf nicht mehr zurück. Während dieser harten Jahre ist es trotzdem gelungen, eine Jugendgruppe zu gründen.

1918, nach dem Krieg, wurde das „Rad“ an die Zeppelin­gesellschaft verkauft und der Gesellenverein erhielt die Kün­digung.  „Nun ist man Rad- und ratlos“, so steht es in den Vereinsunterlagen.

Anfang 1919  erwarb  der Gesellenverein auf Initiative von Vikar Valentin Mohr, dem rührigen neuen Präses, den Gasthof  „Drei König“ für 120 000 Mark. Im August 1919 wurde das neue Kolpingshaus eingeweiht und seiner Bestimmung übergeben. Der Verein hatte zu dieser Zeit 106 Aktive und 190 Ehren­mitglieder.

„Gasthaus drei König“, ehemaliges Kolpinghaus

1921, zur Bodenseetagung, waren über 40 Vereine nach Friedrichshafen gekommen. Kolpingsohn zu sein, war damals nicht  nur eine Ehre, man war auch darauf bedacht, das sich die Mitglieder an Zucht und Ordnung hielten. So beschloss der Vorstand, das Mitglieder, die der Osterkommunion nicht nachkommen, aus dem Verein ausgeschlossen und ihre Na­men im Kolpingblatt veröffentlicht wurden. Der Besuch der Versammlungen war eine Selbstverständlichkeit und die vierteljährliche Generalkom­munion ebenfalls eine Pflicht.

Die Zeit der Inflation und die Jahre danach:

Weihnachten 1922 waren bereits die ersten Vorboten der drohenden Inflation zu spüren. Von der Theatergruppe wurde „ Das Hungerjahr“ aufgeführt, was der Situation der damaligen Zeit entsprach. Der Eintritt für Nichtmitglieder betrug 130 Mark, ein deutliches Zeichen der Inflation. Aber auch diese herbe Zeit ging vorüber und das 50. Stif­tungsfest rückte näher.

Im Juli 1925 wurde das 50. Stiftungsfest gefeiert. Eingeleitet wurde das Fest durch ein großartiges Festbankett im Saalbau, an dem die Harmonia und der Kirchenchor mitwirkten. Von Senior Konstantin Schmäh und Präses Kaplan Mohr bestens vorbe­reitet, wurde dieser Abend ein stolzes Bekenntnis zum Werk Adolph Kolpings. Der Festumzug am Nachmittag von der Ufer­straße zum Saalbau, durch die geschmückte Stadt, bot ein prächtiges Bild.                 

Anfang der Zwanziger Jahre nahm die Arbeitslosigkeit in erschreckendem Maße zu, ebenso die Zahl der durchreisen­den Gesellen. Der Verein sah sich nicht mehr in der Lage alle Gesellen zu verköstigen. Daraufhin wurden von der Zentrale in Köln 250 Reichsmark überwiesen, um den durchreisen­den Gesellen eine etwas bessere  Kost rei­chen zu können. In dieser Zeit mussten pro Jahr bis zu 2800 wandernde Gesellen beherbergt und verköstigt werden, damit stand Friedrichshafen an dritter Stellen in Württemberg. Dafür mussten aus der Vereinskasse 1341 RM bezahlt wer­den.

Die NS-Zeit und der 2. Weltkrieg:

Mit Beginn des Dritten Reiches begann für die Kolpingfa­milie in Friedrichshafen die wohl härteste Belastungsprobe. Große Hochachtung und Bewunderung verdienen daher die Männer, die dem Natio­nalsozialismus trotzten und den Anfeindungen vieler Mit­menschen ausgesetzt waren. Es erforderte sehr viel Mut, sich in dieser Zeit zu Kolping zu bekennen.

1933 wurde die „KWG“, Kolpings wandernde Gesellen,  gegrün­det.

Eine große Bewährungsprobe hatte die KWG gleich zu Beginn, beim Kolpingtag 1933 in München, zu bestehen. Von SA und SS wurden die KWG-Mitglieder auf offener Straße misshandelt. Diese denkwürdige Veranstaltung, an der auch 40 Mitglieder von der Friedrichshafener Kolpingfamilie teilnahmen, war auch der letzte öffentlichen Auftritt der Kol­pingfamilien während des Dritten Reiches.

1933 hatte die Kolpingfamilie in Friedrichshafen noch 220 Mitglieder, 1938 waren es nur noch 70.Alle Anzeichen deuteten darauf hin, dass die NSDAP eines Tages das Vereinshaus „Drei König“ beschlagnahmen würde. Um dies zu verhindern, beschloss die Vereinsführung das Vereinshaus der Kirchengemeinde zu übereignen. Um jedoch der Verfolgung zu entgehen, mussten auch die Mitgliederlisten und Protokollbü­cher beiseite geschafft werden.

Am 28. April 1944 wurde, beim Bombenangriff  auf Friedrichshafen, die Altstadt und auch das Kolpinghaus „Drei König“ völlig zerstört. Das Grundstück mit der Ruine „Drei König“ wurde 1948 von der Kirchengemeinde an die Stadt verkauft.  Auf diesem Gelände steht das heutige Rathaus der Stadt Friedrichshafen.

Der Neubeginn nach dem Krieg:

Als die Bildung von Vereinen durch die französische Besat­zungsmacht wieder gestattet wurde, waren es vor allem die Altkolping-Mitglieder, die die Kolpingfamilie Friedrichshafen wieder gründeten. Dabei waren Stadtpfarrer Mohr und Altsenior Miller tatkräftige Förderer.

1949: Eine große Herausforderung in der Nachkriegszeit war das Kolpingtreffen am 24. Juli 1949 in Friedrichshafen. Über 2200 Gesellen waren aus ganz Oberschwaben an den Bodensee gekommen. In der prächtig geschmückten Cani­sius-Kirche standen die Banner in Doppelreihe vom Chor bis zum Kirchenschiff. Im sel­ben Jahr stellte Stadtpfarrer Mohr der Kolpingfamilie einen kircheneigenen Platz neben der Canisius-Kirche für den Bau eines Vereinsheimes zu Verfügung. In Eigenarbeit erstellten die damaligen Altkolping-Mitglieder Clemens Spägele, Al­fred Zürn, Eugen Hofmann, Kurt Illenberger, Albert Vogel­mann, Sepp Fiegel, mit Unterstützung von Bauunternehmer Hans Hecht, ein neues Vereinsheim.

Damit hatte man wieder ein eigenes Dach über dem Kopf und konnte sich treffen.

1950: Ein bedeutsames Ereignis im Leben der Kolpingfamilie war das 75. Stiftungsfest am Kolpinggedenktag im Dez. 1950. Sämtliche Mitglieder mit ihren Angehörigen nahmen daran teil. Besonders erfreut war man über die Anwesenheit von Stadtpfarrer Mohr und dem ehemaligen Senior, Konstantin Schmäh.

1953: Der Grundstein für das neue Kolpingshaus in der Friedrichstraße wird gelegt. Im Oktober des gleichen Jahres erfolgt die Einweihung durch Bischof  Carl Joseph Leiprecht. Die Kolpingsfamilie hat nun wieder ein „Heim.“

Die Baukosten für Kolpinghaus und  „Hotel Sonne“ betrugen insgesamt 1,2 Millionen, davon betrug der Anteil für das Kol­pinghaus ca. 500.000.- DM. Durch die Erstellung und Inbetriebnahme des neuen Hauses konnte sich der Verein wieder voll entfalten. Junger hoffnungsvoller Nachwuchs fand sich ein. Fachgruppen verschiedener Handwerksberufe bildeten sich. Eine neue „Sportabteilung-Kolping“ und ein Kolpingchor wurden gegründet. Diese fünfziger und sechziger Jahre waren für die Kolpingfamilie eine sehr fruchtbare Zeit.

 Hock am „Runden Tisch im Kolpinghaus 

Danach veränderte sich die Mitgliedersituation durch Heirat und Ansiedlung in anderen Gemeinden der Stadt. Auch das Kolpinghaus erhielt durch diese Veränderung eine andere Funk­tion. Die Kolpingfamilie musste ihre Aktivitäten in den Kellerraum des Kolpinghauses verlegen, der  in 350 Stunden Eigenleistung zum Clubraum ausgebaut wurde. Damit begann für die Kolpingsfamilie das „Kellerdasein“ und die Suche nach einer „Neuen Heimat“.

1969: Beteiligung bei der Gründung der Arbeitsgemeinschaft 2. Bildungsweg als Träger der Abendrealschule – Friedrichshafen.
Erste Kontakte und Partnerschaft zu St. Die’ und Pate bei der Partnerschaft.

Das 100-jährige Jubiläum und die 25 Jahre danach:

1975: Ein wichtiges weiteres  Ereignis im Leben der Kolpingsfamilie war das 100jährige Jubiläum im Jahre 1975. Der Vorsitzende, Karl Schellinger, stellte in seiner Anspra­che fest: „Der Erfolg des Jubiläums hat gezeigt, dass es durch Teamarbeit möglich ist, etwas Ordentliches auf die Beine zu stellen!“

 

1976 gab Karl Schellinger den Vorsitz an seinen Nachfolger, Franz Nuding, ab, der seine Hauptaufgabe darin sah, das „Kellerdasein“ der Kolpingfamilie zu beenden.

Die Suche nach einem „neuen Zuhause“

Im Zusammenhang mit der Entstehung von Gemeindezentren in den einzelnen Kirchengemeinden der Stadt suchte der Vorstand nun eine neue Heimat für die Kolpingfamilie. Mit dem Bau des Gemeindezentrums „Arche  St. Colum­ban“ und  durch die Unterstützung von Präses Erich Legler, bot sich hier eine Gelegenheit für ein neues „Zuhause“. Nach langen Verhandlungen mit dem Kirchenpfleger und dem Gesamtkirchengemeinderat wurde schließlich eine ak­zeptable Regelung für die Ablösung aus dem Verkauf des Kolpingshauses „Drei König“ gefunden.

Die Kolpingsfamilie Friedrichshafen e.V. erhält im neuen Gemeindezentrum von St. Columban ein eigenes „Kolpings­zimmer“ mit ca. 25 qm zur alleinigen Nutzung und eine gleichberechtigte Mitbenutzung der anderen Räume. Als Gegenleistung bringt die Kolpingsfamilie-Friedrichshafen ihren Ablöse-An­teil  in Höhe von 319.000.- DM ein und leistet damit einen wesentlichen Beitrag zur Finanzierung der Gesamtkosten  in Höhe von 1.8 Mio. DM. Ausserdem  beteiligten sich  Kolpingmitglieder mit ca. 1800 Stunden Eigenleistung am Ausbau der Arche-Columban. Besonders zu erwähnen ist der Innenausbau des „Kolpingszimmers“, das in guter handwerklicher Qualität durch Schreinermeister und Kolpingsbruder Hans Rehm erstellt wurde.

1986 konnte das neue Gemeindehaus „Arche-Columban“ eingeweiht werden. In der folgenden Zeit galt es nun, die Räume  der „Arche“ mit Leben zu erfüllen und das Zusammenwachsen mit der Ge­meinde St. Columban zu fördern. Gemeinsame Veranstaltun­gen und die Mitarbeit am Gemeindeleben sollten die Verbin­dung zwischen Kolpingsfamilie und der Gemeinde St. Co­lumban schaffen. Ein wichtiges Anliegen bestand dabei in der Verjüngung der Kolpingsfamilie. Auch wenn die Gründung einer Jungkolpinggruppe bisher nicht gelungen ist, so setzt der Vorstand weiterhin seine Hoffnung auf die Gewinnung von jungen aktiven Gemeindemitgliedern aus St. Columban.

1990 erfolgte als Zeichen der Ver­bundenheit zur Gemeinde St. Columban eine Namensände­rung in „Kolpingsfamilie St. Columban-Friedrichshafen e.V“.  Vielleicht bietet das 125-jährige Jubiläum Gelegenheit, die Integration der Kolpingsfamilie in die Gemeinde St. Columban zu verbessern und damit auch zu verjüngen, dies war die Hoffung, die Realität sieht jedoch anders aus:

Daß die Kolpingsfamilie auch über ihren „Tellerrand“ blic­ken kann, zeigen die vielseitigen Begegnungen mit den fran­zösischen Freunden aus St. Die‘, den Kolpingsfreunden aus Hohenmölsen und Delitzsch und mit den angrenzenden Kol­pingsfamilien aus Österreich und der Schweiz im Rahmen der Internationalen Bodenseekonferenz (IBK).

1991: Ein besonderer Schwerpunkt im Leben der Kolpingsfamilie war die Seligsprechung von Adolph Kolping am 27. Okt. 1991 im Petersdom in Rom durch Papst Johannes Paul II. Ein Ereignis von hoher Bedeutung für das gesamte Kolpingwerk und ein besonderes Erlebnis für die 15 Teilnehmer der Kolpingsfamilie-Friedrichshafen e.V.

1989: Die Wende in Deutschland

Mit dem Zusammenbruch des „Arbeiter- und Bauernstaates DDR“ und der Wende in Deutschland, bestanden erstmals auch die Möglichkeiten zu Kontakten und Begegnungen mit Kolpingsfamilien in der ehemaligen DDR. Die ersten Kontakte stellte Kolpingmitglied Karl Pfeifer her.

1990 erfolgte die Wiedervereinigung Deutschlands

Damit waren rein formal „hüben“ wie „drüben“ die gleichen Rechte geschaffen. Wie unterschiedlich jedoch die Denk- und Verhaltensweisen waren und wie stark die unterschiedlichen Gesellschaftssysteme die Menschen in den 40 Jahren geprägt hatten, konnte man bei den verschiedenen Kontakten und Begegnungen hautnah erleben.

Die erste Kontaktaufnahme mit dem damaligen Vorsitzenden und späteren Landrat von Hohenmölsen, Stefan Wörner, erfolgte anläßlich eines Besuch im Februar 1990 durch Franz Nuding und Karl Pfeifer. Auf der Fahrt nach Hohenmölsen besuchten beide auch Delitzsch, die vorgesehene neue Partnerstadt von Friedrichshafen. Damit waren wir die ersten Bürger von Friedrichshafen die Delitzsch besuchten.

In den folgenden Monaten fanden mehrere wechselseitige Besuche zwischen den Kolpingsfamilien von Friedrichshafen und Hohenmölsen statt. Bei dem ersten Besuch im Mai 1990 konnten sich die Friedrichshafner von den „Errungenschaften des Sozialismus“ überzeugen. Für die meisten war es die erste Reise in die „DDR“. Bei einem Gegenbesuch zum Seehasenfest 1990, konnten sich dann auch die Gruppe aus Hohenmölsen ein Bild von der Situation bei uns am Bodensee machen. Für die meisten war es auch der erste Besuch im „Westen“

Im Frühjahr 1991 kommt es zu einem Wechsel im Vorsitz der Kolpingsfamilie. Nach mehr als 15 Jahren scheidet Franz Nuding als Vorsitzender aus. Sein Nachfolger wird Hanswerner Reithmann.

1994 erfolgt die Gründung einer weiteren Kolpingsfamilie in St. Nikolaus/Berg, auf Initiative von Gottfried Sailer und Dieter Hornung. Die Kolpingsfamilie-Columban war Pate und stiftete ein Kolpingbanner.

Im gleichen Jahr, 1994, wird auch in der Gemeinde St. Canisius, auf Initiative von Pfarrer Rinderspacher eine weitere Kolpingsfamilie gegründet. Somit bestehen nunmehr vier Kolpingsfamilien im Stadtgebiet von Friedrichshafen.
1995 , haben wir die Patrnerschaft für eine Kolpingsfamilie in Kenia übernmmen und diese in der Anfangsphase auch finanziell unterstützt.

1996 geht – nach 25 Jahren seelsorgerischer Tätigkeit als Pfarrer von St. Columban und Präses der Kolpingsfamilie-Columban, Erich Legler in den Ruhestand. Damit ging eine Epoche zu Ende, in der die Kolpingsfamilie durch sein Wirken in starkem Masse geprägt wurde.

1997 übernimmt Pfarrer Paul Zeller die Gemeinden St. Columban und St. Nikolaus und wird neuer Präses der Kolpingsfamilie St. Columban. Sein Bestreben ist die weitere Integration der Kolpingsfamilie in die Gemeinde St. Columban.

Das 125-jährige Jubiläum im Mai 2000:

Die Kolpingsfamilie St. Columban Friedrichshafen e.V. ist nun 125 Jahre alt geworden, mit vielen Höhen und Tiefen, wie aus der Chronik hervorgeht, jedoch Grund genug um dieses Ereignis würdig zu feiern.

Folgendes Festprogramm wurde zu diesem Anlass erstellt:

Gedanken zum Jubiläum von Erich Legler: (ehemaliger Präses)

Die Rückbesinnung auf 125 Jahre, der Dank für das Gewesene, die Freude über das Immer-noch-Bestehen ist gut. Der Aufruf, uns den Aufgaben im Jetzt und Hier zu stellen, ist besser, ist notwendiger. Dazu ein paar Impulse.

– Das Gemeinsame will uns in unserer Kolpingsfamilie zusammenbringen: Unsere tragenden Grundüberzeugungen, unsere Werte, unsere aufgegebene Verantwortung. Das Leitbild unseres „Vaters“ Adolph Kolping zu allererst. Er war als Sozialreformer und caritativ-tätiger Seelsorger des 19. Jahrhunderts nicht nur Anwalt für die damaligen wandernden Gesellen in ihrer sozialen Not. Er möchte auch für uns im 21. Jahrhundert wegweisend sein, dass wir uns solidarisch für einander und für andere einsetzen, besonders für die, welche am Rande unserer Gesellschaft sind.

Für solche Menschen gilt es, die Fühligkeit zu entwickeln, ihnen nachzuspüren und für sie nach Möglichkeiten zu suchen und diese zu schaffen, dass sie wieder zum Leben kommen. Unsere Kolpingsfamilie sollte deshalb die wache Bereitschaft haben für unsere Nächsten, die gleich hier um die Ecke wohnen oder für die Schwestern und Brüder in der Mission und in der „Dritten Welt“ teilend und helfend da zu sein.

– Das Gemeinschaftliche in unserer Kolpingsfamilie ist in unserer Zeit des Subjektivistischen und Individualistischen nicht mehr ohne weiteres gefragt. Viele stehen nur noch in ihrer eigenen Ecke. Und doch wissen wir, dass wir Menschen soziale Wesen sind, bezogen und zugleich angewiesen auf das Du. Wir brauchen einander, zum Austausch, (so heisst übrigens das mittelhochdeutsche Stammwort von „gemein – gemeines – Gemeinschaft – Gemeinde“), für den Erhalt, den Zugewinn, die Bereicherung unseres Lebens. Wir alle leben vom Geben und vom Nehmendürfen, vom Mitteilen und vom Erfahrenkönnen, von Begegnungen und von Beziehungen im sozialen Netz der Familie, der Freunde, der Gleichgesinnten, der Mitwandernden auf dem Weg. Das Gespräch untereinander, gemeinsame Unternehmungen, das regelmässige und verlässliche Zusammenkommen und Beisammensein – aus denen sich dann auch persönliche Verbindungen und Freundschaften entwickeln – müssen uns (wieder) zum Band werden, das uns bindet.

– Die Gemeinsamkeiten in unserer Kolpingsfamilie tragen zum Familienleben, zum Familiensinn, zur Familienverbundenheit entscheidend bei. Das ist genau so wie in der Familie daheim. Wenn wir bereit sind, unseren Glauben miteinander zu teilen, unsere Ängste und Hoffnungen, unsere Tiefen und Höhen, unsere Not und Freude, unser Eingespanntsein und unsere freie Zeit, dann wissen wir uns angenommen, verstanden und gehalten, dann sind wir eine familienhafte und wirklich verwandte Familie auf Gedeih und Verderben. Das macht uns dann auch anziehender für andere. Und was hätten wir nötiger!

– Die Gemeinschaft unserer Kolpingsfamilie, die so entsteht und besteht, hat ihre tiefe Mitte. Es ist der, der uns zu seinen Brüdern und Schwestern gerufen hat, mit ihm zusammen und ihm nach in seiner Spur. Die Religion, die Adolph Kolping lehrte und lebte, die Bindung an den Herrn und die Bindung untereinander, ist deshalb das Zeichen für unsere Erkennung und für unser Bekenntnis. Mehr denn je hat unsere Welt dieses Zeugnis von uns nötig. Aus dieser lebendigen Zelle und aus vielen anderen Gruppen kann dann auch die Gemeinde Christi neu werden, die uns in ihrer Umkehr und Erneuerung braucht – als Mitlebende, als Mittragende, als Mitverantwortliche, als Mitgestaltende in Familie, Beruf, Gesellschaft und Kirche.