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Portrait Adolf Kolping
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Zeitungsbericht in der Ipf und Jagstzeitung

veröffentlicht am


Im Sinne des Gesellenvaters

Von Klaus Wieschemeyer

STUTTGART  Der Gebäudereiniger-Azubi Dieter Adil Frenzel strahlt. ?Ich darf zur Berufschule nach Metzingen?, sagt der Deutsch-Ägypter. Das sei nicht selbstverständlich. ?Ich habe Freunde, die sich meine Ausbildung nicht leisten können?, sagt der 25-Jährige. Auch Frenzel hätte die Ausbildung nicht beginnen können ? wenn nicht sein Betrieb die Wohnheimkosten übernehmen würde.

Das Jugendwohnen ist ein unterschätztes Problem, sagt Eugen Abler aus Bodnegg (Kreis Ravensburg), Chef des Kolpingwerks in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Der 62-jährige frühere EADS-Controller ist seit Februar im Ruhestand. Als Kolpingmitglied ist er weniger bekannt als als CDU-Politiker: Zweimal hat Abler parteiintern dem Bundestagsabgeordneten Andreas Schockenhoff dessen Mandat streitig gemacht. Doch schon vor dem Engagement bei den Christdemokraten hat er in dem katholischen Sozialverband mitgearbeitet, dessen Diözesanchef er seit fünf Jahren ist. Und weil Adolph Kolping (1813 ? 1865) sich besonders um die Gesellen kümmerte, fühlt sich auch Abler den Problemen der Auszubildenden verbunden. Auch heute haben junge Leute durchaus Hürden zu meisten: Wenn sie eine Ausbildungsstelle in einer anderen Stadt bekommen oder den Blockunterricht dafür weit entfernt von Zuhause absolvieren müssen, wird es oft teuer. Wohl dem, der dann Hilfe von daheim erhält.
36,20 Euro pro Übernachtung
Wie Franziska Baur aus Friedrichshafen: Die 19-Jährige ist im dritten Lehrjahr als Medientechnologin in der Druckweiterverarbeitung. Ausbildungsstätte, Freunde und Freund sind am Bodensee ? die zwölf Wochen Blockunterricht in der
Berufsschule im Jahr hingegen in Stuttgart. Baur wohnt in dieser Zeit im Jugendwohnheim des Kolpingwerks im Heusteigviertel im Stuttgarter Zentrum. Die Übernachtung in einem Zimmer mit Bett, Waschbecken, Tisch und Schrank plus Vollverpflegung gibt es hier für 36,20 Euro. Doch der Zuschuss des Landes beträgt nur sechs Euro, den Rest müsste Franziska Baur selbst bezahlen. Das hatte die junge Frau am Anfang ihrer Ausbildung nicht geahnt. Das Gute: ?Meine Eltern übernehmen diese Kosten und die Zugtickets. Sonst wäre es wohl unmöglich?, sagt sie.
Für einen pendelnden Blockschüler können im Laufe einer Ausbildung bis zu 7500 Euro Kosten zusammenkommen, hat das Kolpingwerk errechnet. Und Jugendwohnen ist durchaus weit verbreitet: Allein in Baden-Württemberg gibt es 72 Wohnheime verschiedener Träger, die 200000 Übernachtungen im Jahr zählen. Dabei geht es nicht nur um den Blockunterricht für bestimmte Berufe an weit entfernten Berufsschulen, sondern auch um junge Menschen, die während ihrer gesamten Ausbildung im Wohnheim unterkommen, weil sie ? wie in Stuttgart ? keine eigene Wohnung finden. ?Es trifft die Schwachen?, klagt Mathias Owerrin, Leiter des Kolpingwohnheims Reutlingen. Junge Menschen wie Dieter Adil Frenzel, die kaum noch Kontakt zu und keine Unterstützung von ihren Eltern haben.

Lösch verzieht das Gesicht

Das Kolpingswerk hat Unterschriften gesammelt, um die Lage in Baden-Württemberg zu ändern. Am Josefstag am Mittwoch steht Eugen Abler deshalb zwischen Jugendlichen im Wohnheim im Heusteigviertel und übergibt Landtagsvizepräsidentin Brigitte Lösch (Grüne) sechs Tüten, prall gefüllt mit 4500 unterschriebenen Postkarten. Im Koalitionsvertrag von 2011 hatte Grün-Rot
immerhin einen ?großen Bedarf an einer Neuregelung? konstatiert und versprochen, ?dass das Jugendwohnen für Blockschülerinnen und Blockschüler wieder gesichert und bezahlbar wird?. Passiert ist seitdem aber noch nichts. Eugen Abler ist für das ?bayerische Modell?: Dort zahlt das Land pauschal 30 Euro pro Übernachtung, für den Rest müssen die Jugendlichen aufkommen.
Eine solche Lösung sei nicht nur christlich und im Sinne des Gesellenvaters Kolping, sondern in Zeiten des Fachkräftemangels wirklich überfällig. Lösch verzieht beim Begriff ?bayerisches Modell? das Gesicht. Lieber hätte sie ein ?Kretschmann-Modell?, in dem sich Land, Ausbildungsbetrieb und Azubi die Kosten jeweils zu einem Drittel teilen. Das werde gerade in der Regierung
durchgerechnet, sagt Lösch. ?Das klappt nie”, ruft der frühere Reutlinger Kolpinghausleiter Manfred Gründgen dazwischen. Lösch sieht es anders: Man müsse es probieren, die Unternehmen ins Boot zu holen. Wenn das nicht klappt, könne man dann gemeinsam schimpfen. ?Doch den Druck nehme ich gerne mit?, sagt die Sozialpädagogin.
Sie werde diese ?als Briefträger? dem Kultusministerium überreichen. Da dürfte die Freude begrenzt sein: Die jährlichen Kosten bei einer Reform werden auf bis zu 20 Millionen Euro geschätzt ? und schon jetzt kann SPD-Schulminister Andreas Stoch nicht recht sagen, wie sein Haus die vom eigenen Finanzminister vorgegebenen Sparziele erreichen will.
(Erschienen: 20.03.2014 18:05)